Mehrheitlich gegen Investorenprojekt am Hermannplatz

Zur Veranstaltung von SenStadtBauWohnen, „Grundlagenermittlung Hermannplatz“, „Zielgruppenwerkstatt Städtebau, Hochbau u. Denkmalschutz“ am 18.11.21 auf dem Kindlgelände 

Die massiven Zweifel an einem ergebnisoffenen Beteiligungsprozeß zu Karstadt am Hermannplatz haben sich bestätigt.

Die Arbeitsgruppe „Städtebau, Hochbau u. Denkmalschutz“ war z. B. mit mehreren Signa-Vertretern besetzt. Dem in ihrem Auftrag mit der Neubauplanung befaßten Büro Chipperfield wurde die Gelegenheit zu einer ausführlichen PP-Präsentation gegeben. Sie geriet zu einer Mängeldarstellung des Bestandsgebäudes. Dazu kam der Versuch, den Denkmalwert eben dieses – gerade wegen seiner Distanzierung von der Monumentalarchitektur der Vorkriegszeit – komplett unter Denkmalschutz stehende Gebäudes auf das 20er Jahre-Relikt sowie Treppenhäuser u. Untergeschosse (!) zu reduzieren.

Von einem neutralen Denkmalschutzgutachten wird nun erwartet, dass es die bauliche Qualität des Bestandsbaues detailliert erfaßt. Dazu gehört auch das Herausarbeiten seiner städtebaulichen Funktion als sich in die Maßstäblichkeit des Hermannplatzes und seiner Randbebauung einfügender Kaufhausbau.

Die in der kontroversen Diskussion von den anderen Teilnehmern eingebrachten städtebau- u. sozialverträglichen Kompromissansätze wie den Umbau u. eine geringe Aufstockung des Bestandsgebäudes und eine Neunutzung des Parkhauses geben die Mehrheitsmeinung wieder.

Der Hermannplatz an sich ist ein multikodierter Platz. Die bezirkl. Handels- und Zentrenkonzepte sehen ihn und das heutige Kaufhaus als funktionierenden „Anker“ im Gefüge der Einkaufsstraßen und zusammen mit den Neukölln-Arkaden, der Neuen Welt u. dem NKZ am Kottbusser Tor. Durch seine gute Verkehrserschließung fungiert er zugleich als Verteiler für die Nahversorgung und bindet darüber hinaus das Hauptzentrum Alexanderplatz an. Dabei erscheint die Präsentation der Geschäfte bzw. deren Öffnung zum Hermannplatz selbst noch nicht ausgereizt und ein Angebot mit gepflegter Außengastronomie an seinen Rändern vorstellbar. Erhalten, bzw. vergrößert und für den Aufenthalt qualifiziert werden muß eine mittige Freifläche für den Wochenmarkt, als gesellschaftlicher Treffpunkt und als Ort politischer Demonstrationen.

Augenscheinlich ist der Hermannplatz ein leistungsfähiger Verkehrsknoten mit sechs einmündenden Straßen und zwei U-Bahnlinien. Es bedarf einer gestalterischen Reaktion auf die wünschenswerte Steigerung des Anteils von Fuß- und Radverkehr sowie des ÖPNV – insbesondere durch die Verringerung der Fahrspuren für den MIV am Platz und den zuführenden Straßen. Die Freihaltung des Platzes von einer künftigen Tramhaltestelle erscheint folgerichtig sowie eine Herausnahme des Autoverkehrs an der Ostseite wünschenswert.

Entsprechende Maßnahmen sind zugleich die Voraussetzung für die Verbesserung der Aufenhaltsqualität und der Sicherheit. Sie sind mit u. in einem überschaubaren Aufwand und Zeitraum durchführbar was insbes. für inhabergeführte Gewerbe existenziell seien kann. Über das „Verbesserungspotenzial“ hinaus ist m. E. kein Bedarf an einer grundlegenden Umwandlung festzuhalten.

Dagegen steht, dass mit dem – unter Ausnutzung einer sozialen Notlage während der Pandemie zwischen reg. Bürgermeistern u. Signa entstandenen – LOI seit 2020 vom Investor versucht wird, eine Baugenehmigung für ein Hochhausprojekt am Hermannplatz vorwegzunehmen. Als Instrument soll ein vorhabenbezogener, vom Investor selbst erstellter Bebauungsplan durchgesetzt werden. Dass der Senat darüber hinaus sowohl das Verfahren für das Gebäude (wie für den Platz) gegen den Willen der betroffenen bezirkl. Fachverwaltungen an sich gezogen hat, zwei Berliner Koalitionsparteien und eine bürgerschaftliche Initiative mit mehreren Tausend gesammelten Unterschriften das Vorhaben ablehnen, kennzeichnet die konfrontative Situation.

Ein „Durchregieren“ eines neuen Bausenators wäre ein falsches Signal. Denn ein höchst umstrittenes Projekt eines privaten Großinvestors darf nicht zur Spaltung der Stadtgesellschaft führen. Notwendig ist stattdessen die Durchführung eines ergebnisoffenen partizipativen Beteiligungsverfahren – mit einer neuen Runde.